Haiger zieht die Notbremse - CDU Stadtverband Haiger

Von Ralf Triesch

FINANZEN Weil Einnahmen wegbrechen, verhängt der Magistrat die Haushaltssperre

HAIGER Kläranlage, Mehrzweckhallen, Bebauungspläne – die Tagesordnung des Haigerer Bauausschusses bot auf den ersten Blick wenig Zündstoff. Doch dann ließ der Bürgermeister die Bombe platzen und verkündete, dass der Magistrat eine Haushaltssperre verfügt hat.

„Wir haben die Notbremse gezogen“, erklärte Rathaus-Chef Mario Schramm (parteilos) zu Beginn der Sitzung am Mittwochabend zur Überraschung der wenigen Besucher im Stadtverordneten-Sitzungssaal. Die meisten Ausschuss-Mitglieder waren im Vorfeld bereits über ihre Fraktionsvorsitzenden informiert worden. Kritik an der Entscheidung des Magistrats wurde nicht laut. „Wir haben das im Magistrat eigenverantwortlich und ohne Einwirkung übergeordneter Stellen wie zum Beispiel Kreis, Kommunalaufsicht oder Regierungspräsidium entschieden“, sagte Schramm auf Anfrage unserer Redaktion. Der Begriff Haushaltssperre klinge dramatisch, gab der Bürgermeister unumwunden zu, und es sei auch eine Premiere für die Stadt Haiger, in der solche Maßnahmen bisher nicht ergriffen wurden: „Aber vielleicht ist ein solcher Schritt aber heilender als ein Nachtrag, der alles übertüncht.“

Die Hessische Gemeindeordnung regelt, dass ein Nachtragshaushalt zu erstellen ist, wenn erkennbar wird, dass Einnahmen wegbrechen oder die Ausgaben steigen. Das wäre aber nur bis zum 30. Juni sinnvoll gewesen, erklärte Schramm, der daraufhin die „haushaltswirtschaftliche Sperre“ verfügte, die Paragraph 107 der HGO vorsieht. Diese gilt bis zum 31. Dezember.

Gemeinsam mit dem Fachdienstleiter Finanzen der Verwaltung, Herbert Baumgarten, erklärte Schramm die Hintergründe der ungewöhnlichen Entscheidung, die es in Haiger zumindest in den vergangenen 30 Jahren nicht gegeben hat.

Beim Erstellen des Etats für das Folgejahr müssten große Positionen wie Gewerbesteuer, Einkommensteuer sowie Kreis- und Schulumlage geschätzt werden. Das hessische Finanzministerium gebe im Herbst Prognosezahlen zur Entwicklung von Steuern heraus – allerdings befassten diese sich mit Gesamt-Hessen, erklärte Kämmerer Baumgarten. „Die Durchschnittszahlen, die da genannt wurden, kommen nicht alle im ehemaligen Dillkreis an.“

In Haiger habe sich die wirtschaftliche Entwicklung nicht ganz so gut dargestellt, wie sie im Vorjahr für Hessen prognostiziert worden sei. „Einige Unternehmen hatten in den vergangenen Jahren zu hohe Vorausleistungen gezahlt. Nach der Abwicklung durch das Finanzamt waren jetzt Rückzahlungen erforderlich“, sagte Bürgermeister Schramm.

Alle Ausgaben über 500 Euro müssen künftig vom Magistrat abgesegnet werden

Zudem sei bei einigen Firmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, wichtige Geschäftsbereiche weggebrochen. Das Russland-Embargo mache sich bemerkbar. „Dadurch ist das Ergebnis eingebrochen, die Steuereinnahmen sind spürbar geringer, so dass eine Reaktion erforderlich war“, fasste Baumgarten zusammen.

Der Magistrat habe in Zusammenarbeit mit der Verwaltung die Reißleine gezogen, was „deutliche Wirkung zeigt, ohne dass es bisher nur ein Bürger aus Haiger oder den Stadtteilen gemerkt hat“, meinte Schramm. Seit Verhängung der Haushaltssperre müssen alle Investitionen, die 500 Euro überschreiten, vom Magistrat abgesegnet werden.

Die Verwaltung müsse Ausgaben von mehr als 500 Euro begründen – dann stellt sich schon mal die Frage, ob der defekte Laptop durch ein Modell für 499 oder für 539 Euro ersetzt wird. „Wir geben nur das notwendigste aus und investieren nur in Projekte, die nicht geschoben werden können. So wurden zum Beispiel (vorerst) 130 000 Euro gespart, weil die Sanierung der Ziegenbachbrücke in Niederroßbach verschoben wurde. Gleichzeitig versucht die Verwaltung, mit der Bahn zu vereinbaren, dass der Rückbau der Wegebrücke über die ehemalige Bahnstrecke in Höhe des Trimmpfades auf 2016 verschoben werden kann. Außerdem wurden die Planungen für die Einrichtung eines Kreisels in der Bahnhofstraße – Höhe Haiger-Center – auf 2016 verschoben.

„Wir sind dabei, intensiv Maßnahmen auf den Prüfstand stellen und nicht ohne Wenn und Aber alle geplanten Aktionen umsetzen“, erklärt der Rathaus-Chef. Es sei äußerst schwer, bereits im Juli oder August alle Kosten für das kommende Jahr zu veranschlagen. Es gebe „viele Unwägbarkeiten und viele Wünsche, die jetzt auf den Prüfstand müssen“.

Schramm hat festgestellt, dass die Politik entsprechend mitzieht. „Es gibt weniger Anträge, die hohe Kosten verursachen. Das ist erfreulich.“

Jetzt ist der Haushalt für 2016 in Arbeit. Die Prognosen aus Wiesbaden kommen in Kürze und werden „in diesem Jahr noch genauer betrachtet“, wie Herbert Baumgarten ankündigt. Die Verwaltung steht in Kontakt mit den größeren Gewerbesteuerzahlern, um sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie hoch die Einnahmen im kommenden Jahr ungefähr sind.

Eine Überraschung wie in diesem Jahr will im Haigerer Rathaus niemand mehr erleben.

Quelle: Dill-Zeitung