Angela Merkels Schattenmann berichtet über seine Zeit im Kanzleramt und übt Kritik an der aktuellen Bundesregierung - CDU Stadtverband Haiger

Haigerseelbach (seb) Dr. Helge Braun (CDU), Kanzleramtsmister a.D. unter Angela Merkel, war dieser Tage im Haigerer Ortsteil Haigerseelbach zu Gast. Eingeladen hatte der CDU-Stadtverband Haiger um seinen Vorsitzenden Sebastian Pulfrich. Im Rahmen einer kurzweiligen Veranstaltung bekamen rund 90 Zuhörer Informationen aus erster Hand und hatten nach einem Impulsreferat Zeit, Fragen an den prominenten Gast aus Gießen zu stellen. Zu Beginn seines Vortrags ging Braun, der aktuell Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bundestag ist, auf die aktuelle Debatte um die Bundeswehr ein.  Die Zuhörer erfuhren, dass von den 100 Mrd. Sondervermögen im Verteidigungshaushalt aktuell erst 600 Mio. Euro, primär für Dienstkleidung, ausgegeben seien. Dringend benötigte Flugzeuge hätten nicht angeschafft werden können, da laut der ehemaligen Bundesverteidigungsministerien Christine Lambrecht (SPD) erst noch Basen zum Parken der Jets gebaut werden müssten.  Braun pochte in diesem Zusammenhang darauf, dass die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) versprochenen Gelder für die Bundeswehr verlässlich im Haushalt eingestellt werden müssten. In Bezug auf Lambrecht führte der promovierte Arzt aus, dass diese im Sommer letzten Jahres eine Urlaubssperre für die Mitglieder des Haushaltsausschusses verhängt habe, um so kurzfristig auf mögliche finanzielle Notwendigkeiten der Bundeswehr im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg reagieren zu können. Der Wunsch der Ex-Ministerin wurde nicht umgesetzt, dafür wurden alle Entscheidungsträger technisch so ausgestattet, dass sie weltweit über sichere Leitungen erreichbar waren. „Frau Lamprecht hat sich aber leider nicht bei uns gemeldet und wir haben so wertvolle Zeit im Zusammenhang mit der Ausstattung unserer Wehr verschenkt“, so Braun.  Ein zweiter Schwerpunkt von Brauns Ausführungen waren die Bereiche Inflation und Energiekrise. „Die hohe Inflation ist teuflisch und macht alles teurer, mit schwerwiegenden Folgen für alle Bereiche des täglichen Lebens“. Braun berichtete davon, dass das Bundesverfassungsgericht aufgrund der aktuellen prekären Finanzlage geurteilt haben, dass sich Notenbank und Haushaltsausschuss vier Mal im Jahr zum Austausch treffen müssen. „Der Bund ist mit 470 Mrd. Euro der größte Einkäufer in unserem Land, und so ist eine fundierte Abstimmung sehr wichtig, um der Inflation entgegenzutreten“, so Braun. Von einer gekoppelten Lohn-/Preisspirale hält der Bundestagsabgeordnete nichts, denn diese erhöhe die Inflation nur. Unterm Strich attestierte Braun dem Staat, dass dieser kein guter Unternehmer sei und nannte als Beispiel die Einführung des Tankrabatts. Im Zusammenhang mit der Energiekrise betonte der Gast aus Gießen, dass die Einführung der Strom-/Gaspreisbremse ein gutes Mittel sei, um die Bürger und Unternehmen zu entlasten. Damit der Staat im Bereich Energie die Handlungshoheit bekommt, habe man beispielsweise „Gazprom Deutschland“ und andere große Gasunternehmen in Deutschland verstaatlicht, so dass die Bundesrepublik aktuell 90% des Gasmarktes in eigener Regie verwaltet. In Bezug auf Wirtschaftsminister Robert Habeck(Grüne) kritisierte Braun, dass dieses weltweit zu völlig unrealistische Preisen eingekauft habe. „So haben wir die Gastanks zwar vollbekommen, mussten aber in der Folge erheblich mehr Geld ausgeben“, so Braun. In Bezug auf die komplette Abschaltung der noch verbleibenden Atomkraftwerke im April hat Braun eine klare Meinung „Wir sollten diese noch weitere fünf Jahre laufen lassen“, umso mehr Energiesicherheit zu erhalten. Auch den Plänen der Ampel-Koalition, die Ölheizungen aus den privaten Haushalten zu verbannen, erteilt Braun eine klare Absage „Das wäre ökonomischer Wahnsinn“. Der dritte große Themenkomplex des Abends war die Zukunft der Sozialsysteme. Mit Blick in die Zukunft führte Braun aus, dass man durch die Erhöhungen bei Kranken- und Pflegeversicherung bis 2030 bei und 46% Sozialausgaben angelangen werde. Hier sei die Bundesregierung aktiv gefordert, dieser Steigerung entgegenzuwirken, um den Wohlstand weiter gewährleisten zu können. Braun stellte im Zusammenhang auf die Finanzpolitik seiner Partei klar: „Für uns als CDU ist die schwarze Null immer noch eine haushaltspolitische Verpflichtung, um keine neue Schulden aufnehmen zu müssen“. Bei der anschließenden gut einstündigen Fragerunde ging Braun u.a. auf die Arbeit der Bundesregierung ein. „Bei der Ampel gibt es viel Einigkeit bei gesellschaftlichen Fragen wie der Legalisierung von Haschisch, dem Umgang mit Werbung für Abtreibungen oder der Erlaubnis, sein Geschlecht jährlich wechseln zu können, aber bei vielen anderen Fragen sei die Koalition hoch zerstritten“. Der Einführung des Bürgergelds („Schafft keine Anreize auf Arbeit“), oder dem 49 Euro-Ticket der Bahn („Kaum Nutzen für den ländlichen Raum“), erteilte Braun eine Absage. Bei seinen Ausführungen warb der Gast aus Gießen auf Nachfrage dafür, eine allgemeine Dienstpflicht für jungen Menschen einzuführen „Dies wäre ein Gewinn für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft“. Er bat auch um Verständnis dafür, dass man als Opposition mit einem Partei- und Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz (CDU) an der Spitze oft nur das Wort als Machtmittel habe. Doch auch die Selbstkritik kam nicht zu kurz „Wir müssen politische Entscheidungen transparenter machen und uns auch eingestehen, dass Politik nicht immer alles wissen und vorgeben kann“. In Bezug auf seinen erlernten Beruf als Arzt führte Braun aus, dass das Herangehen von Politik und der Umgang mit Patienten gewisse Parallelen haben: „Einem Patienten muss es von Tag zu Tag bessergehen und man sollte nicht erst morgen die Probleme von heute lösen, sondern die Dinge direkt angehen“. Mit dieser Aussage machte Braun das oft  zögerliche Handeln des Bundeskanzlers deutlich, der „im Spannungsfeld zwischen seiner Partei und der Regierungsverantwortung stehe“. Auf Nachfrage des heimischen Landtagsageordneten Jörg Michael Müller (CDU), ob Braun denn noch Kontakt zur Ex-Bundeskanzlerin habe, sagte Braun amüsiert „Wir treffen uns in der Regel einmal im Monat und Angela hat immer noch ihre blaue Mappe mit Aufträgen für mich dabei“. Am Ende einer informativen und kurzweiligen Veranstaltung übergab Haigers CDU-Vorsitzender Sebastian Pulfrich Helge Braun noch einen Präsentkorb mit in Haigerseelbach gerösteten Kaffee und Honig aus seiner eigenen Imkerei. „Für uns als CDU ist Regionalität nicht nur ein Wort, sondern wir leben diese aktiv“, so Pulfrich.

Kanzleramtsminister a.D. Dr. Helge Braun nahm sich viel Zeit, um auf die Fragen der zahlreichen Zuhörer einzugehen. 

Zahlreiche Zuhörer waren der Einladung des CDU-Stadtverbandes Haiger nach Haigerseelbach gefolgt, um von Angela Merkels Schattenmann informiert zu werden.